Klimaschutz beginnt im Kopf
Dr. Uhl-Hädicke über Klima und Psyche.
Einblicke in die Klimapsychologie mit Dr. Isabella Uhl-Hädicke
In unserer heutigen Gesellschaft scheint es paradox: Wir wissen um die Klimakrise, doch wir handeln oft nicht entsprechend. Warum fällt es uns so schwer, klimafreundlich zu leben – obwohl die Fakten längst auf dem Tisch liegen? In einem eindrucksvollen Gespräch mit dem YouTuber Alex informiert erklärt die Umweltpsychologin Dr. Isabella Uhl-Hädicke, warum das so ist – und wie wir trotzdem ins Tun kommen können.
Der perfekte Lebensstil ist unrealistisch – und trotzdem wichtig
„In dem System, in dem wir leben, ist es schier unrealistisch, einen perfekt klimafreundlichen Lebensstil zu führen“, erklärt Uhl-Hädicke. Doch sie betont: Das sei keine Ausrede. Vielmehr gehe es darum, „möglichst viele Bereiche so klimafreundlich und zukunftsfreundlich wie möglich zu gestalten“. Diese pragmatische Sichtweise nimmt den Druck, ohne zur Passivität zu verführen – ein Ansatz, der gerade für viele Menschen mit schlechtem Gewissen entlastend wirkt.
Wissen allein reicht nicht – die Macht der Emotionen
Ein zentrales Thema im Interview: Warum führt Wissen nicht automatisch zu klimafreundlichem Verhalten? Die Psychologin verweist auf jahrzehntelange Forschung: „Wenn wir Menschen mit existenziellen Bedrohungen wie der Klimakrise konfrontieren, zeigen sie oft symbolische Verhaltensweisen – sie pochen stärker auf ihre Werte, statt direkt zu handeln.“
Die Erklärung: Ohnmacht und Überforderung. Wer sich hilflos fühlt, sucht Schutz in stabilen Weltanschauungen – auch wenn diese nichts mit Klimaschutz zu tun haben.
Die zwei psychologischen Reaktionsmuster auf die Klimakrise
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Direktes Handeln: „Ich erkenne die Bedrohung und passe mein Verhalten an.“
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Symbolisches Verhalten: „Ich reagiere unbewusst mit Rückzug in vertraute Werte – sogar bis hin zu mehr Strenge oder Abwertung anderer Gruppen.“
Gerade Letzteres erklärt laut Uhl-Hädicke auch, warum Maßnahmen wie „Klimarebellen“ oder Protestaktionen so viel Widerstand hervorrufen: „Sie sind das personifizierte schlechte Gewissen. Und niemand möchte sich selbst als schlechten Menschen wahrnehmen.“
Warum Horrorszenarien nicht helfen – und was stattdessen wirkt
„Es braucht ein Umdenken in der Klimakommunikation“, so Uhl-Hädicke. Studien zeigen: Drohkulissen wie Hitzewellen oder Klimakatastrophen führen nicht automatisch zu mehr Engagement – im Gegenteil. Nur wer ohnehin bereits umweltfreundlich denkt, fühlt sich durch solche Nachrichten bestärkt.
Besser: Positive Zukunftsbilder entwerfen. Wie könnten Städte aussehen, die lebenswert sind? Was wäre ein fairer Verkehr der Zukunft? „Wir müssen zeigen, worauf es sich lohnt hinzuarbeiten – und nicht nur, wovor wir Angst haben.“
Selbstwirksamkeit statt Ohnmacht
Ein zentraler psychologischer Hebel ist die sogenannte Selbstwirksamkeit – das Gefühl, dass das eigene Handeln einen Unterschied macht.
„Wenn ich glaube, dass ich nichts ändern kann, suche ich nach Ausreden – oder vergleiche mich mit anderen, die es noch schlechter machen.“
Daher sei es entscheidend, kleine Erfolge sichtbar zu machen, Vorbilder zu zeigen und Menschen das Gefühl zu geben, Teil der Lösung zu sein.
Die Kraft sozialer Normen
Was wirklich hilft, Verhalten zu verändern? Vergleiche mit dem direkten Umfeld. Uhl-Hädicke nennt eindrucksvolle Beispiele:
„Wenn im ganzen Viertel Solaranlagen auf dem Dach sind, steigt der soziale Druck, mitzumachen – bis hin zu PV-Anlagen auf der Nordseite, nur damit es von der Straße sichtbar ist.“
Soziale Normen wirken oft unbewusst – aber umso kraftvoller. Sie beeinflussen, was „normal“ ist – und motivieren zur Nachahmung.
Politische Maßnahmen als Gamechanger
Neben individuellen Handlungen betont die Psychologin auch die Bedeutung von politischen Maßnahmen: „Wenn es wirklich schnell gehen muss, helfen verpflichtende Regeln und Gesetze.“ Sie verweist auf das Beispiel City-Maut in Schweden, die nach anfänglichem Widerstand breite Akzeptanz fand – weil die Menschen die positiven Auswirkungen spürten.
„Das Tempolimit wirkt nicht nur über Einsparung, sondern auch als Signal: Dieses Verhalten ist jetzt gesellschaftliche Norm.“
Fazit: Klimaschutz beginnt bei uns allen
„Natürlich braucht es Politik und Wirtschaft – sie haben die großen Hebel“, sagt Uhl-Hädicke. „Aber wir als Gesellschaft können uns nicht aus der Verantwortung ziehen.“ Denn: Je mehr Menschen klimafreundlich handeln, desto mehr wird dieser Lebensstil zur neuen sozialen Norm.
Ihr Appell: „Ich habe ein gutes Leben – und das will ich auch für kommende Generationen. Klimaschutz heißt nicht Verzicht, sondern bewusstes Gestalten einer lebenswerten Zukunft.“
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Photo Credit: Sophie Kirchner